Ein beispiellos chaotischer und intransparenter Haushalt hat nunmehr seinen Abschluss gefunden. „Die Kirsche auf der Sahne war die Idee des Oberbürgermeisters und der Finanzverwaltung heute Vormittag mit der gewünschten Auflösung der Davon-Positionen in Höhe von 184 Mio. Euro sowie der Plan zur Verwendung der Mittel des Sondervermögens Infrastruktur in Höhe von 381 Mio. Euro von der Bundesregierung“, kritisiert Fraktionssprecher Hannes Rockenbauch (SÖS). „Einmal mehr wurde dem Gemeinderat jegliche Möglichkeit zur Diskussion und vor allem zur politischen Steuerung über dreistellige Millionenbeträge verwehrt. Das ist beispiellos, rücksichtslos und Ausdruck der Arroganz der Macht“, so Rockenbauch weiter.
Proteste haben den Haushalt begleitet
Mit Blick auf die zahlreichen Proteste während der Haushaltsberatungen sagt Fraktionssprecherin Johanna Tiarks (Die Linke) „Dieser Haushalt hat aber auch gezeigt, dass die Kraft bei den Menschen liegt und nicht bei der knappen Mehrheit des Gemeinderats. Der Kampf um eine gute Zukunft geht weiter!“
„Wir haben es versucht, viele Vorschläge – gerade auch zu Einsparungen – gemacht – das wurde alles ignoriert und niedergestimmt von den Grünen und der CDU. Und gerade deshalb ist es jetzt wichtig, dass die Proteste nicht nur einmal da sind, sondern auch im neuen Jahr sichtbar, spürbar und hörbar sind – und zwar für strukturelle Änderungen“, betont Dennis Landgraf (Tierschutzpartei)
Falsche Grundausrichtung des Haushalts
„Dieser Haushalt hat drei grundlegend falsche Richtungsentscheidungen: Mit der Rasenmäher-Methode wurde fast alles einen Kopf kürzer gemacht – anstatt eine Priorisierung vorzunehmen. Als zweites wurden jetzt die letzten Reserven, hinter denen Zielbeschlüsse des Gemeinderats stehen im Handstreich auf den Kopf gehauen, um die Lücken im Haushalt zu schließen. Und dieser Haushalt verschiebt einen großen Teil der Finanzprobleme einfach in die kommenden Jahre. Das betrifft vor allem Großprojekte – die einfach weiterbetrieben werden, als wäre Geld im Überfluss da. Für die Schleyerhalle ist Geld da, für das unnötige Multi-Milliarden-Grab Rosensteinbebauung versickern schon heute Millionen, die an anderer Stelle Existenzen im Sozialen Bereich sichern könnten“, kritisiert Hannes Rockenbauch.
Bei Kindern, Jugendlichen und Bildung wird drastisch gekürzt
„Wer an Kindern und Jugendlichen spart, riskiert nicht nur deren Zukunft, sondern letztendlich die von uns allen und wird Folgekosten in noch unklarer aber mit Sicherheit sehr großer Höhe für uns alle aufwerfen“, sagt die bildungspolitische Sprecherin der Fraktion, Manja Reinholdt (Die Linke). „Wir hätten uns eine Zielvereinbarung gewünscht, in der man sich dagegen verwehrt, an der Bildung und an jungen Menschen zu sparen, denn das ist unsere Zukunft“, so Reinholdt weiter. „Die nunmehr beschlossenen Kürzungen im Bereich Kinder, Jugend und Bildung werden katastrophale Folgen in der Zukunft haben – deshalb haben wir alle Kürzungen in diesem Bereich abgelehnt“, sagt Manja Reinholdt. „Die beschlossene Erhöhung der Kita-Gebühren ist für mich der größte sozialpolitische Skandal! Mit dieser Erhöhung werden Eltern – und zu befürchten ist, es werden hauptsächlich Frauen sein – gezwungen, sich zu überlegen zu müssen, ob sie sich die Kita gfür ihr Kind noch leisten können. Damit wird wieder Abhängigkeit zementiert – und ein Gesellschaftsbild aus den 1950er Jahren reanimiert. Diese Erhöhung der Kita-Gebühren hat ganz fatale Auswirkungen auf Schwellenhaushalte“, so Reinholdt weiter. „Auch Stellen stehen zur Streichung an. Arbeitsplätze gehen verlorgen. Das interessiert nicht, ist ja nicht bei Bosch oder Daimler“, so Reinholdt resigniert.
Der Rasenmäher rasiert die Kultur
Mit Blick auf die Kürzungen im Kultur-Bereich sagt die kulturpolitische Sprecherin Guntrun Müller-Enßlin (SÖS): „Die Kulturförderung macht mit bislang 49 Millionen Euro weniger als 1 Prozent vom Volumen des Gesamthaushalts aus. Dementsprechend gering sind die Einsparungen von nunmehr 8,95 Millionen, die bei den satt dreistelligen Millionenbeträgen, die Stuttgart einsparen muss, kaum ins Gewicht fallen, aber unsere Stadt in vielerlei Hinsicht ärmer machen. Den betroffenen Kreativschaffenden bringen sie zum Teil in extreme Bedrängnis und tun richtig weh. Fast überall sind Personalabbau und Programmkürzungen die Folge.“ Müller-Enßlin bewertet den Kulturhaushalt wie folgt: „In der Kultur kann man mit wenig Geld viel kaputt machen. Mit dem Verzicht auf eine einzige Sportveranstaltung – die Finals – hätte man auf fast alle Kürzungen im Kulturbereich verzichten können. Das zeigt einmal mehr: es ist Geld da, es wird nur falsch verteilt. Dieser Haushalt hat in Sachen Kultur sehr viel falsch gemacht.“
Auch die Integrationspolitik in Stuttgart wird gekürzt
„Der Rechtsruck in der Gesellschaft nimmt immer mehr zu. Die beschlossenen Einsparungen bei der Integration geben Migrant*innen das Signal, dass sie das Gefühl bekommen, nicht dazu zu gehören. Das müssen wir unter allen Umständen vermeiden – wir brauchen mehr Integration und Investitionen in den gesellschaftlichen Zusammenhalt – die Hinterzimmer-Haushaltskoalitionär*innen haben aber auch in diesem Bereich den Rotstift angesetzt. Ich bin fassungslos, wie man das Projekt Partnerschaft für Demokratie ersatzlos streichen kann und die Mittel für das Forum der Kulturen ebenfalls radikal stutzt. Die Folgen werden wir in den nächsten Jahren zu spüren bekommen“, sagt die integrationspolitische Sprecherin der Fraktion, Aynur Karlikli (Die Linke)
Soziales und Personal – radikal gekürzt
„Wir brauchen mehr Personal, um für die Menschen da zu sein“, so Johanna Tiarks. „Dass die Beschäftigten die hart erkämpfte Stuttgart-Zulage nach gerade einmal zwei Jahren um mehr als die Hälfte auf nur noch 70 Euro gekürzt bekommen, ist ein total falsches Signal. Und dann noch den Zuschuss für das Deutschland-Ticket um die Hälfte zu kürzen, das halten wir für grundfalsch – sowohl was die Attraktivität der Stadt als Arbeitgeberin angeht, als auch verkehrs- und klimapolitisch“, so Tiarks weiter. „Mit den Kürzungen im Sozialen Bereich verschieben wir die Probleme in die Zukunft – und wir werden die Folgen doppelt und dreifach – auch finanziell – zu spüren bekommen“, sagt Manja Reinholdt. „Wir brauchen mehr Zusammenhalt, mehr Prävention, mehr Fürsorge – und wir müssen uns noch mehr zusammenschließen und gemeinsam für eine gute Zukunft streiten“, so Tiarks weiter.
Tierschutz: auf null gesetzt
„Der ohnehin sehr kleine Bereich Tierschutz wurde im Haushalt von der Hinterzimmer-Koalition aus Grünen und CDU einfach komplett zusammengestrichen. Das erfolgreichen Taubenprojekt wurde finanziell gesehen einfach ausradiert – für uns auch mit Blick auf die Summen ebenso unverständlich wie unnötig“, sagt Dennis Landgraf.
Klimaneutralitätsziel unter Mitwirkung der Grünen beerdigt
„Mit den beschlossenen Einsparungen bei Klimaschutz und Klimaanpassung hat sich der Gemeinderat mehrheitlich vom Klimaneutralitätsziel 2035 verabschiedet. Auch bei der Verkehrswende wurde beim Fuß- und Radverkehr überproportional gespart, der Ausbau des ÖPNV geht so schleppend voran, dass wir bis zum Jahr 2035 die Klimaziele im Verkehr unter keinen Umständen erreichen werden. Vor allem bei der Klimaanpassung werden die Folgen in den nächsten Jahren für alle Stuttgarter*innen spürbar sein – umso unverständlicher sind die Kürzungen in diesem Bereich“, sagt Hannes Rockenbauch.
Ein anderer Haushalt ist möglich
„Eine einzige Maßnahme kann alle Kürzungen in den Bereichen Soziales, Kinder, Jugend, Bildung, Gesundheit und Personal verhindern: die Gewerbesteuer auf das Niveau von München zu heben“, betont Hannes Rockenbauch. „Dieser Haushalt hat so viele Chancen geboten zur Umverteilung – am Ende steht ein Rückschrittshaushalt, der vieles kaputtspart, anderes einfach auf die nächsten Jahre verschiebt und der gezeigt hat, wie wenig politischen Gestaltungswillen der Oberbürgermeister und seine kleine Hinterzimmer-Koalition an den Tag gelegt hat“, so Johanna Tiarks. „Deshalb war es nur folgerichtig, dass wir diesem Haushalt die Zustimmung entschieden verweigern“, so Rockenbauch abschließend.



