„Es ist eine politische Entscheidung, dass die Kommunen chronisch unterfinanziert sind“, betont Fraktionssprecherin Johanna Tiarks (Die Linke). „90 Prozent der Kommunen in Baden-Württemberg sind schon verschuldet – es ist davon auszugehen, dass diese Zahl weiter steigt. Auch Stuttgart wird sich zu dieser Zahl von über 1000 Kommunen in den nächsten Jahren dazugesellen“, so Tiarks weiter. Dabei stehen die Städte und Gemeinden vor noch nicht bewältigten, gewaltigen Herausforderungen: sozialer Zusammenhalt, Klimaschutz, Klimaanpassung.
„In dieser Situation werden die Kommunen von Bund und Land in finanzieller Hinsicht systematisch im Stich gelassen. Immer mehr Aufgaben werden an die Gemeinden weitergereicht, ohne dass dafür die kommunalen Gelder erhöht werden. Wenn jetzt gleichzeitig noch Steuereinnahmen zurückgehen – vor allem die Gewerbesteuer – stehen die Kommunen vor unlösbaren Aufgaben“, sagt Fraktionssprecher Hannes Rockenbauch (SÖS). „Wir fordern Bund und Land auf, endlich eine auskömmliche Finanzierung für die Kommunen bereitzustellen, damit die Daueraufgaben sozialer Zusammenhalt, Klimaschutz und Klimaanpassung und das drängende Wohnungsproblem auf kommunaler Ebene gelöst werden können“, so Rockenbauch weiter.
Wir fordern eine umfassende Umverteilung von den Überreichen hin zur Gesamtgesellschaft. Deshalb sind wir auch Bündnispartnerin bei „Kommunen am Limit“, welches von der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di initiiert wurde, mit dabei“, sagt Johanna Tiarks.
Stuttgarter Sparhaushalt in seiner jetzigen Form gefährdet den sozialen Zusammenhalt
Unter diesen denkbar schlechten Rahmenbedingungen müssen wir jetzt einen Doppelhaushalt für die kommenden zwei Jahre vorlegen. „Der Entwurf des Oberbürgermeisters ist aus unserer Sicht unausgewogen und gefährdet den sozialen Zusammenhalt und damit auch die Demokratie. Die Kürzungen im sozialen Bereich wie beispielsweise die drastische Erhöhung der Kita Gebühren sind ein verheerendes Signal in die Stadtgesellschaft“, kritisiert Johanna Tiarks. „All das wäre zu verhindern – denn es gibt eine ökosoziale Mehrheit im Gemeinderat“, sagt Hannes Rockenbauch.
Grünenspitze spaltet ökosoziale Mehrheit
„In den letzten Wochen sind wir Zeugen eines absurden Bündnisses zwischen der Grünenspitze und der CDU geworden. Die Grünen rücken damit ohne Not nach rechts und machten sich im Stuttgarter Rathaus zum Steigbügelhalter für eine nach rechtsaußen gerückte CDU-Politik. Ein ökosozialer Haushalt wäre möglich gewesen – die Spitze der Grünen hat sich aber dagegen entschieden“, sagt Fraktionssprecher Rockenbauch.
Unser Konzept eines ökosozialen Haushalts
Eine Starke Kommune braucht starke Mitarbeiter*innen – deshalb wollen wir die Stuttgart-Zulage nicht kürzen. Die Bürgermeister*innen sollen aber – als Top-1-Prozent der am besten Verdienenden auf ihre Zulage vollständig verzichten“, sagt Tiarks.
„Wir haben uns entschieden, in diesem Haushalt eine Mischung aus Umverteilung, Anträge mit Lenkungswirkung und Entlastungen zu beantragen. Auf der Einnahmenseite wollen wir die Gewerbesteuer auf Münchner Niveau anheben und Großprojekte entweder streichen oder verschieben und verkleinern“, skizziert Johanna Tiarks die Ideen der Faktionsgemeinschaft.
„Zudem wollen wir mit einem Bürger*innenhaushalt mit verbindlichem Bürger*innenbudget verlorengegangenes Vertrauen in die Kommunalpolitik wieder herstellen“, ergänzt Fraktionssprecher Rockenbauch.
Steuern und Verkehr
„Mit der Erhöhung der Gewerbesteuer auf Münchner Niveau schaffen wir Spielräume, damit wir den sozialen Zusammenhalt erhalten und stärken können“, sagt Hannes Rockenbauch.
„Wir wollen die Anwohner-Parkgebühren deutlicher als im Verwaltungsvorschlag erhöhen – damit schaffen wir den notwendigen Spielraum, damit Kinder zwischen 0 und 14 Jahre künftig in Stuttgart umsonst und ohne Fahrschein im ÖPNV unterwegs sein können“, sagt Hannes Rockenbauch.
„Kürzungen im Bereich der selbstaktiven Mobilität lehnen wir ab. Beim Fuß- und Radverkehr darf nicht gespart werden. Beim Autoverkehr hingegen sehen wir Möglichkeiten, im Doppelhaushalt die Budgets deutlich zu kürzen. Das hat den Vorteil, dass weniger Baustellen entstehen und damit auch weniger Staus entstehen“, so Rockenbauch.
Wohnen und Soziales
„Im Bereich Wohnen wollen wir einen Innenentwicklungs-Turbo starten. Um dringend notwendigen bezahlbaren Wohnraum auf der Stelle realisieren zu können, müssen wir jetzt das EnBW Areal am Stöckach entwickeln, die Wohnungen nach der innerstädtischen Potenzialanalyse Wohnen realisieren und den Büroleerstand bekämpfen. Hierfür wollen wir, dass alles Personal aus der Abteilung Rosenstein abgezogen wird und sich der Umsetzung von leistbarem Wohnraum widmet“, sagt Johanna Tiarks. „Außerdem wollen wir, dass die Stadt das ehemalige Statistische Landesamt am Erwin-Schoettle-Platz kauft und dort auch bezahlbare Wohnungen realisiert“, so Tiarks weiter.
„Dass der Erfrierungsschutz für Kinder und Familien offenkundig nicht im Haushaltsentwurf ist, zeigt die im wahrsten Sinne des Wortes soziale Kälte der Verwaltungsspitze. Auch das haben wir selbstverständlich beantragt“, betont die sozialpolitische Sprecherin der Fraktion, Johanna Tiarks.
„Im sozialen Bereich setzen wir uns für die Stärkung des Autonomen Frauenhauses ein, wollen eine Clearingstelle für Menschen ohne Krankenversicherung und wollen die Quartiersarbeit in Stuttgart-Freiberg fortführen. Diese Projekte stehen einerseits für den sozialen Zusammenhalt, andererseits sind das essenzielle soziale Aufgaben, die wir umsetzen wollen“, so Tiarks.
Einsparungen bei Großprojekten – weg von wenigen Großen hin zu vielen Kleinen
„Große Einsparungen sehen wir im Verzicht auf das klimaschädliche Abriss-Neubau-Projekt Schleyerhalle – hier können wir allein 45 Mio. Euro in den kommenden Jahren sparen. Die Villa Berg wollen wir auf eine Sanierung reduzieren – damit kann mittelfristig ein dreistelliger Millionenbetrag eingespart werden. Auch bei der Opernsanierung sehen wir große Einsparpotenziale – hier braucht es dringend einen Plan B“, so Hannes Rockenbauch.
„Der Klimakiller Flughafen soll im Jahr 2028 aus dem städtischen Haushalt 105 Mio. Euro bekommen – auch das halten wir für verzichtbar. Eine Schließung des Flughafens ist die Lösung und nicht dreistellige Millionenbeträge in einen Betrieb, der das Klima zerstört“, sagt Johanna Tiarks.
Kulturförderung – innovative Projekte weiter finanzieren
Die im Bereich der Kulturförderung beabsichtigten Kürzungen und Streichungen betreffen vor allem Einrichtungen, die erst im vorletzten Doppelhaushalt in die institutionelle Förderung aufgenommen worden sind und zwar befristet für vier Jahre. Das heißt, sie laufen jetzt aus und werden nach dem Willen der Finanzverwaltung nicht erneuert. Das bringt etliche dieser Institutionen in schiere Existenznot. „Fatalerweise handelt es sich bei den Betroffenen vor allem um innovative Projekte, die zeitgenössische Strömungen aufnehmen und im künstlerischen Betrieb entsprechende Akzente setzen. Mit unseren Anträgen wollen wir das drohenden Aus dieser Institutionen (Schaudepot Herbordt und Mohren, Gütesiegel Kultur etc.) verhindern. Auch kleine Einrichtungen, wie beispielsweise das Theater La Lune oder der Kammerchor Figure Humaine, bei deren benötigten Finanzmitteln es sich um geradezu lächerliche Bagatellbeträge handelt, dürfen aus unserer Sicht nicht unter die Räder kommen. Die Ausstellungsgrundvergütung für Stuttgarter Kunstschaffende muss ebenfalls unbedingt erhalten bleiben, ebenso wie das seit 2023 geförderte neu entwickelte Programm der Initiative „Kunst im öffentlichen Raum“. Last not least setzen wir uns für die Fortsetzung der Erfolgsgeschichte von „Open piano“ ein“, sagt die kulturpolitische Sprecherin der Fraktion, Guntrun Müller-Enßlin (SÖS).
Zahlen und Daten zu den Haushaltsanträgen
Mit insgesamt 172 Anträgen hat die Fraktion Die Linke SÖS Plus ein großes Paket an Anträgen vorgelegt. Wir planen Ausgaben in Höhe von 35 Mio. Euro im Jahr 2026 und 35 Mio. im Jahr 2027. Bei den Investitionen planen wir für die Jahre 2026 und 2027 rund 26. Mio. Euro auszugeben – gleichzeitig sparen 13 Mio. bei Investitionen im Zeitraum des Doppelhaushalts.
Wir planen insgesamt 59 zusätzliche Personalstelle – hier gehen wir von jährlichen Gesamtkosten in Höhe von 4,1 Mio. Euro zusätzlich aus. Gleichzeitig rechnen wir durch unsere Einsparvorschläge und Mehreinnahmen mit Deckungsbeiträgen in Höhe von 381 Mio. Euro in den Jahren 2026 und 2027. Diese Spielräume sind aus unserer Sicht notwendig, um weitere Kürzungen abzuwenden und dringend notwendige Investitionen wie Wohnbaufonds und Klimaschutz noch Spielräume für die kommenden Lesungen zu haben.



